Lesetipp

UNO-Sicherheitsrat und Schweizer Peacekeeping

Welche Rolle spielten die Verteidigungsministerien europäischer Länder als Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates? Mit Blick auf die Mitgliedschaft der Schweiz im mächtigsten UNO-Gremium hat das Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich dies untersucht.

Im Juni 2022 wird die Uno-Generalversammlung die Schweiz aller Voraussicht nach zum nichtständigen Mitglied des Uno-Sicherheitsrats für die Periode 2023/2024 wählen. Ein Kerngeschäft des Sicherheitsrates ist die Behandlung kriegerischer Auseinandersetzungen und die Überwachung der Uno-Friedensmissionen. Das Know How der Militärakteure, das auch für die Zivilbevölkerung der jeweilige Konfliktländer wichtig sein kann, zählt also ebenfalls. Das Center for Security Studies (CSS) an der ETH Zürich hat untersucht, welche Rolle die Verteidigungsministerien und Armeen Schwedens, Deutschlands und Belgiens während ihrer Zeit im Sicherheitsrat gespielt haben sowie Irland und Norwegen als aktuelle Mitglieder im UNO-Gremium sicherheitspolitisch spielen.

Unter anderem beschreibt das CSS die Grösse des «Peacekeeping Footprints» dieser Länder, also den Umfang des militärischen Engagements für die Uno-Missionen, und analysiert das jeweilige «Ambitionsniveau» sowie die Rolle, die Aufgabe und den Arbeitsaufwand der Verteidigungsministerien für die Sicherheitsratspolitik ihres Landes.

Von Land zu Land verschieden

Der Uno-Peacekeeping Footprint Schwedens ist im Vergleich zur Bevölkerungszahl des Landes gross (über 300 Armeepersonen und weiteres Personal in Uno-Missionen), derjenige Deutschlands nur in absoluten Zahlen grösser (über 550). Belgiens Uno-Footprint ist eher klein (wobei Belgien seit 2000 mehr Armeeangehörige in Nato- und EU-Missionen entsendet als in die Uno). Irland hat einen sehr grossen Footprint, mit über 500 Armeeangehörigen (und weiterem Personal) in Uno-Missionen, derjenige Norwegens mit knapp 120 Personen in Uno-Missionen eher klein.

Eine zweite Grösse, mittels derer die sechs Staaten angeschaut werden, ist das «Ambitionsniveau», d.h. die Frage, wie intensiv man die Sicherheitsrat-Mitgliedschaftspolitik mit sicherheitspolitischen Vorstössen mitprägen will. Bei Schweden war dieses hoch, ebenso jetzt bei Irland, und auch beim deutschen Bundesministerium für Verteidigung (BMVG). Deutschland hat z.B. zu zwei offenen Sicherheitsrats-Debatten zu «Frauen in Friedensmissionen» und «Menschenrechte in Friedensmissionen» beigetragen. Schwedens Verteidigungsministeriums erarbeitete zuhanden der schwedischen Position im Sicherheitsrat Empfehlungen, wie sexuellen Übergriffen durch Personal von Uno-Missionen besser vorzubeugen und solche effektiver zu ahnden seien.  Belgiens Verteidigungsministerium war weniger ambitioniert, wegen der Konzentration auf Nato und EU. Zur Thematik Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten erreichte Belgien, dass der Sicherheitsrat bindende Empfehlungen abgab.

Die Länder-Beschreibungen sind sehr interessant (hier werden nur wenige Beispiele referiert). Eine Schlussfolgerung, die gezogen werden kann, ist nicht allzu erstaunlich: Je grösser der Peacekeeping-Footprint, desto kleiner ist der Aufwand eines Landes, mit grösseren Ambitionen des Verteidigungsministeriums in die Sicherheitsrats-Mitgliedschaft einzusteigen. Die Koordination Aussen- /Verteidigungsministerium ist überall eine Herausforderung. Eine intensive Zusammenarbeit während der Sicherheitsrats-Periode verbessert diese, auch für nachher.

«Peacekeeping Footprint» der Schweiz relativ klein

Die Schweiz wird in der Studie nicht direkt behandelt. Es lassen sich aber Vergleiche anstellen. So lässt sich der Peacekeeping-Footprint der Schweiz als klein bezeichnen. Knapp 40 Armeepersonen sind derzeit in sechs Uno-Friedensmissionen tätig (neben den etwa 190 in der KFOR im Kosovo, die mit UNO-Mandat Nato-geleitet ist). Erstmals überhaupt leitet seit Oktober 2021 ein Schweizer eine UNO-Mission, die UNTSO, zur Wahrung des Waffenstillstands im Nahen Osten. Noch 2010 lautete die Zielsetzung der militärischen Friedensförderung: Ausbau auf 500 Personen. Seit 20 Jahren stagniert sie aber, im Unterschied zur zivilen Friedensförderung (EDA).

Der Einsatz von Armeeangehörigen im Ausland ist unter einem Uno- oder OSZE-Mandat erlaubt. Die Schweiz bezahlt jährlich 70 Mio. Franken ans Peacekeeping-Budget der Uno (Staaten bezahlen gemäss Wirtschaftsleistung). Das VBS beabsichtigt nun einen Ausbau der militärischen Friedensförderung, u.a. mit mehr Personal an die Uno, für «besonders gefragte und hochwertige Beiträge» wie Lufttransport (u.a. Helikopter) und Luftaufklärung (u.a. Drohnen), Logistik oder Kampfmittelbeseitigung. Um den von der Uno verlangten Frauenanteil bei dem ihr gestellten Personal erreichen zu können, sollen spezielle Frauenlaufbahnen geprüft werden.

Es wird interessant sein zu sehen, mit welchem «Ambitionsniveau» der Bundesrat das VBS im Hinblick auf die Arbeit im Sicherheitsrat positionieren will.

CSS, ETHZ, Ein nichtständiger Sitz im Uno-Sicherheitsrat: Die Rolle von Verteidigungsministerien und Armeehauptquartieren in einem länderspezifischen Vergleich, Zürich, September 2021.

*Markus Heiniger arbeitete bis 2017 für das EDA, in verschiedenen Funktionen im Bereich der Friedens- und Menschenrechtsförderung. Heute engagiert er sich u.a. für eine aktive Begleitung und Mitgestaltung der Schweizer Sicherheitsratskandidatur durch Organisationen der Zivilgesellschaft.

 

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