Schweiz im Sicherheitsrat

Schweiz im Sicherheitsrat KW 37/2024

Themen der Woche: Friedenserhaltung-Peacekeeping, Sudan, Ukraine, Jemen

 

Peacekeeping: Die Friedenserhaltung unter Zwang mit militärischen Mitteln der UNO (“Blauhelme”), im Jargon peacekeeping, hat ihren Glanz verloren und funktioniert immer weniger. Die Gründe sind bekannt: Zu hohe Erwartungen und Aufgaben bei zu wenig Mitteln, zu wenig Einigkeit im Sicherheitsrat, der die Mandate formuliert, zunehmende Ressentiments bei den “Gaststaaten”, in denen interveniert wird. Und oft kein Frieden, der zu erhalten wäre. Was nun? Eine offene Ratsdebatte ergab folgendes Fazit: Peacekeeping wie wir es kennen, ist tot, aber peacekeeping als UNO-Aufgabe soll in anderer, reformierter Form weitergeführt werden. Der zuständige UNO-Vertreter nannte Timor-Leste, Liberia, Côte d’ Ivoire, Sierra Leone und die Region Abyei im Sudan als Beispiele gelungener Operationen. Sierra Leonas Vertreter sagte: “Die Aufstellung einer Blauhelmtruppe funktioniert nicht nur, um Konflikte zu stoppen, sondern funktioniert besser als alles andere, was Experten wissen”. Ob alle mitziehen, wird am “Zukunftsgipfel” abgelesen werden können, den der UNO-Generalsekretär Ende Monat ausrichtet. Wie zu reformieren wäre, ist bestritten. Russland verlange, auf “sekundäre Aufgaben, vor allem jene zu Menschenrechten, Frauen und Klimaschutz” zu verzichten, weil sie “von der Hauptaufgabe ablenken” und zu viel kosteten. Umgekehrt beklagten die Vereinigten Staaten die Tendenz von “Gaststaaten”, sich gegen ungeliebte Elemente der Mandate zu sperren, namentlich im Menschenrechtsbereich. Eine Rückkehr in die erste Dekade nach dem Kalten Krieg, wo russische und amerikanische Einheiten in Ex-Jugoslawien zusammenarbeiteten, scheint ausgeschlossen. Die Reformrezepte sind mannigfaltig: Mehr Verlass auf regionale Organisationen, sorgfältigere Berücksichtigung der lokalen Eigenheiten und Anliegen, besserer Einsatz von Technologie, mehr Augenmerk auf der “Prävention” von Konflikten. Auch die Schweiz stimmte in den Chor der guten Ratschläge ein. Sie forderte unbedingte Einhaltung des Völker- und Kriegsrechts und den Einbezug des Klimaschutzes in künftige Blauhelmaufgaben (mit zehn anderen Ratsmitgliedern gab sie im Anschluss an die Sitzung eine gemeinsame Erklärung ab). Sie empfahl der UNO, für künftige Einsätze eine “Reihe von Modellen” zu entwickeln, die je nach Lage eingesetzt werden könnten (für mehr zur Schweizer Blauhelm-Politik klicken Sie hier).

Sudan: Der Rat hat die Sanktionen gegen Sudan einstimmig um ein Jahr verlängert. Sie umfassen ein Waffenembargo, die Einfrierung von Bankkonten und Reisebeschränkungen. Zahlreiche Ratsmitglieder beklagten nach der Abstimmung den andauernden blutigen Bürgerkrieg und die verheerenden Attacken auf die Zivilbevölkerung, namentlich in Darfur und der belagerten Provinzhauptstadt El Fasher. Dort würden von beiden Seiten schwere Waffen eingesetzt, erklärte der südkoreanische Vorsitzende des zuständigen Sanktionsausschusses. In vielen Voten wurde die verbotene Einfuhr von Waffen in den Sudan angeprangert.

Ukraine: Auf Antrag Frankreichs und Ecuadors hat der Rat sich zum x-ten Mal mit der humanitären Lage in der Ukraine befasst. Die Vertreterin des UNO-Nothilfebüros nannte die Zahlen: 11700 tote Zivilisten seit Kriegsbeginn, 10 Millionen auf der Flucht, 14,6 Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen, 1,5 Millionen in russisch besetzten ukrainischen Gebieten ausser Reichweite der UNO-Hilfe. An den ausgetauschten Argumenten änderte sich nichts. Die westlichen Ratsmitglieder fordern Russland auf, seinen Angriff zu beenden und sich aus der Ukraine zurückzuziehen. Russland bockt und behauptet, es kämpfe gegen “Nazis”. China verlangt Verhandlungen und preist seinen mit Brasilien verkündeten Sechspunkteplan. Ukraine beharrt auf der Wiederherstellung seiner territorialen Integrität gemäss seiner “Friedensformel”. Mehrere Staaten, darunter die Schweiz, verlangen, die Schuldigen am Krieg vor Gericht zur Rechenschaft zu ziehen. Vom Bürgenstock-Prozess war nicht die Rede. Die Schweiz erklärte sich “bereit, zu einem gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine, im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen, beizutragen”. Sie warb für “hochrangige Beteiligung” an der zusammen mit der Ukraine veranstalteten Entminungs-Konferenz, im kommenden Monat in Lausanne.

Jemen: Die Sitzung zur Lage in Jemen war eine Reprise der vorhergehenden. Das UNO-Nothilfebüro teilte den Stand der Not der Zivilbevölkerung mit (62 Prozent haben nicht genug zu essen), der UNO-Sondergesandte berichtete über seine erfolglosen Friedensbemühungen (Lichtblick: ein Bankenkollaps ist abgewendet) und warnte vor Eskalation und Flächenbrand. Eine Frauenvertreterin schilderte Ausschluss, Diskrimination und Mundtotmachung der weiblichen Hälfte der Bevölkerung. Die von Iran alimentierten Huthi («Ansar Allah») beschiessen weiterhin Frachtschiffe im Roten Meer, Amerikaner, Briten und Europäer (EU-Operation «Aspides») schiessen zurück. Neuestes Opfer ist der griechische Tanker «Sounion» mit einer Million Fass Oel an Bord. Er dümpelt brennend im Wasser. Ausserhalb der durch Gaza und Ukraine absorbierten Weltaufmerksamkeit gibt es auch hier eine Geiselkrise: Die Crew des japanischen Tankers «Galaxy Leader» ist seit zehn Monaten in der Hand der Huthi, eine Anzahl humanitärer Helfer, einige mit Diplomatenstatus, seit hundert Tagen.

Espresso Diplomatique

Kurz und Kräftig. Die wöchentliche Dosis Aussenpolitik von foraus, der SGA und Caritas. In der Ausgabe Nr. 461, September 2024, steht Algeriens Beitritt zur Neuen Entwicklungsbank (NDB) der BRICS-Staaten im Fokus. Der Schritt stärkt nicht nur Algeriens wirtschaftliche Position als wichtiger Öl- und Gasexporteur, sondern hat auch geopolitische Bedeutung im internationalen Machtgefüge.

Zum Artikel

Eine Aussenpolitik für die 
Schweiz im 21. Jahrhundert

Neue Beiträge von Joëlle Kuntz (La neutralité, le monument aux Suisses jamais morts) sowie von Martin Dahinden und Peter Hug (Sicherheitspolitik der Schweiz neu denken - aber wie?)

Livre (F), Book (E), Buch (D)

Zu den Beiträgen

Schweiz im Sicherheitsrat

Das Schweizer Mandat im UNO-Sicherheitsrat (2023 und 2024) fällt in turbulente Zeiten, der Rat hat Schwierigkeiten, in den grossen Fragen Entscheide zu fällen. Jeden Samstag fassen wir das Ratsgeschehen und die Haltung der Schweiz zusammen.

Infoletter «Schweiz im Sicherheitsrat» abonnieren Alle Berichte