Schweiz im Sicherheitsrat

Schweiz im Sicherheitsrat KW 36/2024

Themen der Woche: Sudan, Gaza, Syrien chemische Waffen, Venezuela, Afghanistan

 

Sudan: Hinter verschlossenen Türen hat der Rat sich über die verheerende humanitäre Lage und die bisher fruchtlosen Bemühungen um ein Ende des Kriegs zwischen zwei rivalisierenden Armeen unterrichten lassen. Sudan ist zurzeit der grösste globale Notfall. Über 10 Millionen Menschen sind geflüchtet, davon über 2 Millionen in die unstabilen Nachbarländer. Über 26 Millionen haben nicht genug zu essen, 7 Millionen davon haben gemäss Definition des UNO-Welternährungsprogramms Hunger. Der slowenische Ratspräsident erklärte im Anschluss an die Sitzung vor dem UNO-Mikrophon, “die Mehrheit” des Rats habe die von der Regierung in Khartum jüngst gewährte, dreimonatige  Öffnung des Grenzübergangs Adre für humanitäre Lieferungen begrüsst, ebenso die mannigfachen Bemühungen um eine Beilegung des Konflikts. Er hob die Genfer Gespräche vom vergangenen August hervor, über welche die USA und Schweiz als Organisatoren berichtet hätten (Ko-Veranstalter waren Saudi-Arabien, die UNO, die Afrikanische Union, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate waren Beobachter). Der slowenische Vertreter sagte, in der Sitzung sei die ausländische Einmischung in den Konflikt  thematisiert und eine bessere Koordination der Friedensdiplomatie gefordert worden. Der Auftritt des slowenischen Ratspräsidenten war ein ungewohnt mutiger Schritt in Richtung Transparenz. Er sei von den Mitgliedern nicht befugt worden, im Namen des Rats zu sprechen, weshalb er sich als Vertreter seines Landes äussere. Wir werden darauf achten, wieweit die Schweiz während ihrer Ratspräsidentschaft im Oktober dem slowenischen Beispiel folgen wird, mehr Licht in die nicht öffentlichen Sitzungen des Rats zu bringen.

Gaza: Vor dem Hintergrund der Ermordung von sieben israelischen Geiseln kurz vor ihrer Befreiung aus einem Tunnel bei Rafah ist der Rat zu einer Dringlichkeitssitzung zusammengetreten. Sie wurde von zwei Seiten beantragt – einerseits Israel mit den USA, Frankreich und Grossbritannien, anderseits Algerien. Die UNO-Vertreterin gab bekannt, dass noch 101 israelische Geiseln in der Hand der Hamas seien, dass in Gaza 41000 Palästinenser durch israelische Militäraktionen getötet worden seien und die Zahl der Opfer von Siedlergewalt und palästinensischer Vergeltung mittlerweile bei 630 Palästinensern und 15 Israelis liege. Ein Lichtblick ist die von der UNO durchgeführte Polio-Impfaktion im Gazastreifen, bei der in einer ersten Phase 187000 Kinder geimpft worden sind. Dies wurde durch lokale, befristete Waffenruhen ermöglicht. Das zeige, “dass eine flächendeckende humanitäre Operation in Gaza möglich ist, wenn die Feindseligkeiten aufhören und ein sicherer, schneller und ungehinderter humanitärer Zugang im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht besteht”, sagte die Schweiz. Sie wiederholte die Forderungen nach sofortiger Freilassung der Geiseln und einem umfassenden Waffenstillstand.

Venezuela: Auf Antrag Ecuadors hat der Rat sich hinter geschlossenen Türen mit der Lage in Venezuela befasst, wo der Ausgang der Präsidentschaftswahl umstritten ist. Der amtierende Präsident Maduro ist nach einer Mitteilung der nationalen Wahlkommission mit 52 Prozent der Stimmen wiedergewählt, aber die Kommission hat dies weder genau beziffert noch irgendwelche schriftlichen Ergebnisse vorgelegt. Der Gegenkandidat, der den Sieg beansprucht, ist mittlerweile zur Verhaftung ausgeschrieben.

Afghanistan: Obschon ein «geographisches» Traktandum auf der Agenda, hat der Rat die neueste Entwicklung in Afghanistan nicht als solche thematisiert. Die dort herrschenden Taliban-Gotteskrieger haben die offizielle Frauendiskriminierung im vergangenen Monat nochmals verschärft. Ein neues «Anstandsgesetz» löscht die weibliche Hälfte der Bevölkerung im öffentlichen Leben aus. Frauen haben kein Recht mehr, in der Öffentlichkeit zu sprechen. 12 Ratsmitglieder mit «einem starken Interesse an der Menschenrechtslage in Afghanistan» sind vor das UNO-Mikrophon getreten, haben «tiefe Besorgnis» geäussert und die Rücknahme der diskriminierenden Gesetze gefordert. Es sprach Japan. Die Schweiz war auch dabei. Nicht dabei waren Algerien, China und Russland.

Schweizer Erklärungen:

 

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