Kolumne

Ohne Zivilgesellschaft geht es nicht

Hintergrund zum Thema im Sicherheitsrat: Die Umsetzung von Resolution 1325  «Women, Peace and Security» – Frauen, Frieden und Sicherheit.

„Wie können die Frauen ihren Platz am Tisch einnehmen, wenn sie vom formellen Arbeitsmarkt ausgeschlossen, nicht im gleichen Mass an der digitalen Transformation und dem technologischen Fortschritt teilhaben, wenn sie keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung haben, wenn sie mit den körperlichen und seelischen Wunden aus geschlechtsspezifischer Gewalt leben müssen?“ So fragte eine der Vortragenden, Mirjana Spoljaric Egger, Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz in der Sicherheitsratsdebatte vom 7. März über „Frauen, Frieden und Sicherheit: Auf dem Weg zum 25. Jahrestag der Resolution 1325” (siehe unseren Wochenrückblick). Mozambik als Ratspräsident hatte die Sitzung angesetzt, um die Resonanz und Umsetzung der UNO-Resolution 1325 zu prüfen. Hier wurde das starke Signal ausgesendet, den Einbezug von Geschlechtergerechtigkeit in Konfliktprävention im Vorfeld zum 25-jährigen Jubiläum der Resolution im Jahr 2025 zu fördern.

Die UN-Frauen, Friedens- und Sicherheitsagenda
Seit der grundlegenden UNO-Resolution 1325 vom 31. Oktober 2000 hat der UN-Sicherheitsrat in den letzten zwei Jahrzehnten zehn weitere Resolutionen zu „Frauen, Frieden und Sicherheit“ („Women, Peace and Security“ oder WPS) verabschiedet. Die Agenda ist direktes Resultat eines langjährigen transnationalen Aktivismus einer feministischen und friedenspolitischen Zivilgesellschaft, insbesondere aus dem globalen Süden. Die UNO-Resolution 1325 und ihre Folgeresolutionen setzen neue Maßstäbe für die Einbeziehung von Gender equality in alle Bereiche des internationalen Friedens und der Sicherheit.

Die Zivilgesellschaft als Fundament
Zusammen mit anderen wichtigen internationalen Beschlüssen und Übereinkommen wie CEDAW, der 2030-Agenda, der Istanbul-Konvention, oder dem WPS und Humanitarian Action Compact, bildet die WPS-Agenda die Grundlage für eine feministische Friedensförderung. Die Themenbereiche, welche die UNO-Resolution 1325 und ihre Folgeresolutionen umfasst, sind mehrdimensional und bedürfen daher in ihrer Umsetzung die Kollaboration einer Vielzahl von Akteur:innen aus Regierung, internationalen Organisationen, aber vor allem auch das Wissen und Impulse aus einer lokal agierenden, feministischen Zivilgesellschaft.  Das Engagement der Zivilgesellschaft spielt damit ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Agenda sowie der Konsolidierung einer feministischen Friedensarbeit.

Die Herausforderungen
Denn trotz der Fortschritte, die in mehreren Bereichen der WPS-Agenda erzielt wurden, bleiben Herausforderungen bestehen und die Bilanz der Rückschritte in der Praxis ist alarmierend. Menschenrechts- und feministische zivilgesellschaftliche Akteur:innen kritisieren, dass ihr Handlungsspielraum kontinuierlich eingeschränkt wird und Schutz vor intersektioneller Diskriminierung und geschlechtsspezifischer, sexualisierter Gewalt in Konflikten nicht gewährleistet ist. Dies gilt auch für digitale Räume, in denen Frauen, Mädchen und queere Menschen Zielscheibe von Mis- und Desinformation, Hate Speech und Misogynie sind. Zudem bleiben sinnvolle und substanzielle Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen nach wie vor sehr limitiert und die Investitionen in Militärausgaben nehmen trotz des dringenden Aufrufs zu friedensfördernden Massnahmen und dauerhaftem Frieden weitgehend zu.

Antworten aus der Schweizer Zivilgesellschaft
Die UNO-Resolution 1325 verpflichtet ihre Mitgliedstaaten, die Gender-Perspektive bei der Konfliktprävention und der Friedensförderung mit Blick auf einen inklusiven und nachhaltigen Frieden anzuwenden. Ein solches Engagement kann in Nationalen Aktionsplänen (NAP) zu WPS berücksichtigt und umgesetzt werden. Bis März 2023 haben mehr als 100 UN-Mitgliedstaaten einen NAP verabschiedet. Die Schweiz, die als eines der ersten Länder überhaupt einen NAP zur Umsetzung der UNO-Resolution 1325 verabschiedete und einen Beijing+25-Bericht über den Stand der Umsetzung erstellt hat, prüft derzeit die vierte Generation ihres NAP (2018-2024) und erarbeitet seinen 5. NAP, welcher dann ab 2025 Gültigkeit haben soll.

Seit 2016 hat ein breites Spektrum der Schweizer Zivilgesellschaft über die Arbeitsgruppe 1325  ein Monitoring des Schweizer NAP zu WPS durchgeführt. 2016 wurde ein erster unabhängiger Bericht «Women, Peace and Security Reloaded» veröffentlicht, der die Umsetzung der WPS-Agenda in der Schweiz reflektiert. Mit fünfzehn NGOs wurde 2018 eine öffentliche Konsultation der kritischen Stimmen aus der Zivilgesellschaft durchgeführt, um die Relevanz des NAP 1325 für die Friedenspolitik und -praxis zu stärken. Daraus entstanden zwei vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) unterstützte Vorzeigeprojekte: «Civil Society Contribution to the Implementation of the Swiss National Action Plan 1325» (2018-2022), das in das Projekt «Alliance for WPS: Channelling Civil Society’s Voices into the WPS agenda» (2022-2024) mündete.

Unter der Koordination der Schweizer Plattform für Friedensförderung KOFF, von FriedensFrauen Weltweit und der feministischen Friedensorganisation cfd bringen diese beiden Projekte die Expertise der Zivilgesellschaft umfassend ein und integrieren sie in die Gestaltung, Umsetzung und Evaluation des Schweizer NAP 1325, um den NAP in der öffentlichen und politischen Landschaft der Schweiz zu verankern und die Friedensförderung in der Praxis zu stärken.

Die Allianz für Frauen, Frieden und Sicherheit (2023-2025)
Im Jahr 2022 hatte die Schweiz gemeinsam mit Südafrika den Vorsitz des Netzwerks der Anlaufstellen für Frauen, Frieden und Sicherheit, das eine Plattform mit 100 Mitgliedern für Staaten, regionale und zivilgesellschaftliche Organisationen bildet, um die Umsetzung der WPS-Agenda voranzutreiben. Als Mitglied des UNO-Sicherheitsrats (2023-2024) will die Schweiz auf den Ergebnissen ihres Jahres als Ko-Vorsitzende zusätzlich zu ihren vier thematischen Prioritäten (Aufbau eines nachhaltigen Friedens, Schutz der Zivilbevölkerung, Verbesserung der Wirksamkeit und Auseinandersetzung mit der Klimasicherheit) aufbauen.

Die Schweizer Plattform für Friedensförderung KOFF, FriedensFrauen Weltweit und der cfd – die feministische Friedensorganisation können dieses kritische Zeitfenster im Rahmen des Projekts „Allianz für Frauen, Frieden und Sicherheit“ nutzen, um auf nationaler wie auch transnationaler Ebene Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten zu thematisieren, um die WPS-Agenda als wichtiges Instrument der Innen- und Außenpolitik zu verankern und um die Prioritäten für den fünften NAP 1325 zu identifizieren. Ohne Zivilgesellschaft geht es nicht.

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*) Yasmine Janah ist  ist Expertin für Gender-, Konflikt- und Sicherheitsfragen in den Bereichen Friedensförderung und internationale Zusammenarbeit und ist Associate Gender and Peacebuilding Advisor bei swisspeace.

*) Dr. Anna Antonakis ist senior program officer für gender& peacebuilding bei swisspeace

 

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