Kolumne

Düstere Wolken über Asien

Die geopolitische Lage im Grossraum Asien-Pazifik hat sich in jüngster Zeit verdüstert. Friede und Wohlstand werden damit auch im Rest der Welt bedroht. Dies muss in Europa Grund von grosser Besorgnis sein.

‘Die Zukunft liegt im Grossraum Asien-Pazifik’, so lautet die gängige Formel auf die Frage nach dem politischen und wirtschaftlichen Schwerpunkt der Welt im 21. Jahrhundert. Stärker als in der Vergangenheit hängt auch die Prosperität Europas von friedlichen internationalen Beziehungen in Asien und damit dessen weiterem wirtschaftlichen Aufstieg ab. Die jüngsten Entwicklungen im ‘Fernen Osten’ sind aber alarmierend; insbesondere vier gegenwärtige Krisen, die ihren Ursprung in China aber auch in den USA haben, bedrohen den Weltfrieden.

Die Zukunft von Hong-Kong, und damit eng zusammenhängend jene von Taiwan, beides chinesische aber demokratische Gesellschaften, wird Signalwirkung haben, ob in Beijing Präsident Xi-Jinping mit seiner wiederum allmächtig gewordenen kommunistischen Partei eine gewisse Öffnung Richtung Selbstbestimmung, kreative Vielfalt und Privatinitiative zulassen wird. Eine solche Basis für jede gesunde Volkswirtschaft wird in China zunehmend unwahrscheinlicher. Jörg Wuttke, Präsident der europäischen Handelskammer in Beijing – damit Inbegriff ausländischer Interessen, welche an weiterem gesunden Wachstum in der zweitgrössten Wirtschaftsmacht der Welt direkt beteiligt sein wollen – hat in einer kürzlichen, diplomatisch verpackten aber deutlichen Rede in Beijing die Verantwortlichen seines Gastlandes vor der völligen Übernahme der Wirtschaft durch den Staat gewarnt.

China – USA
Als China anlässlich der Konferenz 2002 in Doha in die Welthandelsorganisation WTO aufgenommen wurde – welcher der Schreibende als schweizerischer Delegierter beiwohnte – gingen nicht nur ‘naive westliche Optimisten’ davon aus , dass damit das Land eine grundlegende Veränderung Richtung Marktwirtschaft erfahren würde. Das war dort ebenso die vorherrschende Meinung im ‘Rest der Welt’, was damals von entsprechenden chinesischen Äusserungen bekräftigt wurde.

Diese Versprechungen sind unerfüllt geblieben und liegen an der Wurzel der zweiten der eingangs erwähnter Krisen, dem Handelsstreit zwischen den USA und China. Hier hat Präsident Trump grundsätzlich recht: China sollte ausländischen Wirtschaftsinteressen die gleichen Rechte einräumen wie einheimischen, das sprichwörtliche ‘ebene Spielfeld’ eben, und sollte ungesetzlichem Transfer immaterieller Eigentumsrechte einen Riegel schieben. Wo Trump und seine Wirtschaftsdiplomatie falsch liegen sind die Mittel, um Beijing zum Einlenken zu bringen. Nicht bilaterale Zölle, sondern ein gemeinsames Vorgehen aller westlichen Wirtschaftsmächte wäre allein erfolgsversprechend. Leider erscheint dies im Moment illusorisch, da einerseits Trump gegen Europa eine weitere (Wirtschafts)kriegsfront zu eröffnen droht und andererseits Europa, eingeschlossen der Schweiz, sich durch chinesische Wirtschaftsversprechen immer wieder auseinanderdividieren lässt.

USA – Iran
Schwere Verantwortung trägt die Trump-Administration auch, was den unmittelbaren Auslöser der dritten Krise anbelangt, die gegenwärtigen Spannungen im Persischen Golf, wo rund 80% der Öl- und Gasressourcen herstammen, welche die global wichtigen Produktionsmaschinen in Nord- und Nordostasien antreiben. Es würde genügen, das Nadelöhr am unteren Golfende zu verstopfen, um den Welthandel, und damit globale Fertigungs- und Mehrwertsketten nachhaltig zu beinträchtigen. Ganz zu schweigen von einem eigentlichen Krieg im Mittleren Osten zwischen den beiden Polen um das schiitische Iran einerseits und jenem des sunnitischen Saudi-Arabien andererseits.

Um dies vor dem Hintergrund drohender nuklearer Aufrüstung in der Region zu verhindern, wurde im Jahre 2015 das ‘Nuklearabkommen’ abgeschlossen, das im Gegenzug zur Lockerung von westlichen Sanktionen und der Wiederaufnahme normaler Beziehungen, dem Iran nukleare Rüstungsbeschränkungen auferlegt hat. Die törichte Entscheidung von Trump, sich einseitig vom Abkommen zurückzuziehen, hat primär zum Erstarken der konservativen Kleriker in Teheran und ihrer sunnitischen Unruhestifter in verschiedenen Staaten des Mittleren Ostens geführt. Der Iran ist nun einmal ein Land, das von seiner Geschichte, seiner Grösse und seinen eigenen Ressourcen her einen von aussen erzwungenen Regimewechsel unwahrscheinlich erscheinen lässt.

Japan – Südkorea
Die kürzliche Verschärfung des Konfliktes in der koreanischen Halbinsel und darum herum schliesslich wird in Europa weniger beachtet, ist aber brandgefährlich. Die bombastische aber inhaltsleere Gipfeldiplomatie zwischen Trump und dem koreanischen Diktator Kim hat bislang allein Nordkorea erlaubt, seine frenetische Aufrüstung unter dem Mantel dieser Diplomatie voranzutreiben. Dies wiederum führt zu berechtigter Sorge in Japan, vor dessen Küsten nordkoreanische Raketen, bislang ohne nukleare Bestückung, regelmässig auftreffen.

Viel weniger Recht auf seiner Seite hat hingegen Tokio im eben losgetretenen Zerwürfnis mit Südkorea, seinem naturgemäss eigentlich engsten Verbündeten in der Region. Hier gehen die Wurzeln zurück auf die grausame Kolonisierung eines grossen Teils von Asien durch Japan in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, worunter Korea ganz besonders litt. Im Gegensatz zu Deutschland hat Japan seine Kriegsschuld nie wirklich eingestanden. Der konservative Premier Abe bedient mit seinem harten Kurs gegenüber Seoul innenpolitisch jene seiner Gefolgsleute, welche noch heute nichts Falsches sehen beim imperialistischen Japan der Vergangenheit.

Umgekehrt spielt nun der südkoreanische Premier Moon, binnenwirtschaftspolitisch bislang recht erfolglos, die innenpolitische Karte der Japanressentiments aus, was dazu geführt hat, dass sowohl die wirtschaftlichen – via Digitalindustrie für die Weltwirtschaft speziell heiklen – als auch sicherheitspolitischen Beziehungen zwischen Tokio und Seoul grundlegend erschüttert sind. Damit gerät der zentrale ostasiatische Pfeiler im Bemühen um Eindämmung chinesischen Expansionismus’ ins Wanken. Allein die USA könnten die beiden regionalen Raufbolde, ihre wichtigsten asiatischen Verbündeten, zur Vernunft bringen. Das kann und will Trump aber offensichtlich nicht tun, auch wenn er dazu im Moment noch über die notwendigen strategischen Mittel verfügt. Was bei einem weiteren Andauern der frenetischen Aufrüstung im Grossraum Asien-Pazifik dereinst einmal nicht mehr gesichert erscheint.

Der Autor ist ehemaliger Botschafter (u.a. in Kuwait, Singapur und Australien) und Ko-Gründer des Unternehmens ‹Share-an-Ambassador, Geopolitik von Experten›.

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