Schweiz im Sicherheitsrat

Die Schweiz und die Frauen in Afghanistan

Die Schweiz und die Frauen in Afghanistan

SGA-ASPE. Die Schweiz erklärte im UNO-Sicherheitsrat, ohne Rücknahme der diskriminierenden “Sittengesetze” könne Afghanistan nicht in die Internationale Gemeinschaft “reintegriert” werden. Zugleich ist sie dabei, das nach der Machtübernahme der Taliban geschlossene DEZA-Büro wieder zu eröffnen. Wie passt das zusammen. Wir haben dem Aussenministerium schriftliche Fragen gestellt und die nachstehenden schriftlichen Antworten erhalten.

 

In New York hat die Schweiz die Diskriminierung der Fraün in Afghanistan verurteilt, aber gleichzeitig wird bekannt, dass die DEZA als eine der ersten Agenturen ein Büro in Kabul eröffnen wird, um insbesondere die Anliegen der afghanischen Frauen zu fördern. Was wird die DEZA in Kabul tun? Wieviel kann sie ausrichten?

Die Schweiz wird mit einem humanitären Büro ab Herbst 2024 wieder in Afghanistan präsent sein. Die Schweizer Präsenz vor Ort dient der Unterstützung der notleidenden afghanischen Bevölkerung und entspricht der humanitären Tradition der Schweiz. Die Präsenz in Kabul ermöglicht ein besseres Verständnis der Situation vor Ort und unterstützt die Begleitung von Projekten und eine enge Abstimmung mit anderen Geberländern. Das Budget für die humanitäre Hilfe für Afghanistan beträgt für 2024 30 Millionen Franken, inkl. Personal- und Sachkosten des Büros. Geplant ist vor allem humanitäre Hilfe und keine klassische Entwicklungszusammenarbeit. Vorgesehen ist ein Set-Up mit 4 Expertinnen und Experten des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) sowie Lokalangestellten. Das Team vor Ort wird zuständig sein für die Umsetzung, Begleitung und das Monitoring der von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) finanzierten Projekte in Afghanistan.

Die Rechte von Frauen und Mädchen sind eine Priorität der Schweizeer Politik gegenüber Afghanistan. Die Schweiz fördert die Bildung von Mädchen und Fraün durch Beiträge an ihre Partnerorganisationen. Die DEZA arbeitet hierbei mit einer Vielzahl von Partnern zusammen: neben dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), der Weltbank und verschiedenen UN-Organisationen (Welternährungsprogramm (WFP), Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR), Internationale Organisation für Migration (IOM), Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) und UN Women)) unterstützt die Schweiz auch internationale und afghanische NGOs durch gezielte Projektbeiträge.

Ein paar Beispiele:

 Gab es eine interne Diskussion in der Verwaltung Über das Für und Wider dieses Einsatzes, und wer hat entschieden?

Bereits seit Februar 2022 fanden wieder regelmässige Besuche in Afghanistan statt, um das Programm den neuen Gegebenheiten anzupassen. Diese Besuche wurden sukzessive ausgeweitet, können eine physische Präsenz vor Ort aber nicht ersetzen. Angesichts der humanitären Notlage der Bevölkerung in Afghanistan hat sich Bundesrat Cassis für eine Schweizer Präsenz vor Ort entschieden. Die physische Präsenz wird es der Schweiz ermöglichen, ihre Programme im engen Kontakt mit der Bevölkerung, sowie ihren lokalen Partnern bestmöglich an die Situation vor Ort anzupassen.

 Frauen dürfen in Afghanistan nicht oder nur in Begleitung eines männlichen Wächters arbeiten. Werden afghanische Frauen angestellt werden?

Ja, Frauen werden angestellt, Afghaninnen sowie Schweizerinnen.

 Gelten die Sittengesetze für das weibliche DEZA-Personal?

Die Sittengesetze gelten nicht für Schweizer Angestellte. Trotz der diskriminierenden Dekrete der Taliban gegenüber afghanischen Frauen besteht die Möglichkeit, dass weibliche Angestellte im humanitären Sektor auch in anderen Bereichen als die derzeit erlaubten Bereiche Gesundheit und Bildung tätig sein können. Dazu braucht es von Seiten der Geldgeber, wie von den Partnern, ein hohes Mass an Flexibilität und Verhandlungsgeschick mit den lokalen Behörden.

Was passiert, wenn eine Angestellte mit einem männlichen Wächter erscheint? Wird er weggeschickt?

Um ein möglichst sicheres Umfeld zu gewährleisten, wurden verschiedene Massnahmen getroffen, wie z.B. organisierte Transportmöglichkeiten, separate Eingänge und Büros, flexible Arbeitszeiten und/oder Zulagen für die Begleitung durch einen männlichen Verwandten, einen sogenannten Mahram, falls dies notwendig ist.

 Werden konkrete Fälle wie dieser vor dem Einsatz besprochen, und wird eine Verhaltensregel festgelegt?

Siehe oben.

 Gibt es Zusicherungen seitens der Taliban, dass das DEZA-Büro genügend Spielraum für seine Tätigkeit hat?

Die Schweiz hat das Aussenministerium in Kabul über ihre Absicht zur Rückkehr mit einem humanitären Büro informiert. Dieses hat den Entscheid der Schweiz zur Kenntnis genommen. Die Kontakte zu den Taliban beschränken sich auf notwendige logistische und fachliche Prozesse, um vor Ort humanitär aktiv sein zu können. Die physische Präsenz der Schweiz in Kabul ist keineswegs eine Legitimierung der Taliban. Die Schweiz anerkennt Staaten, nicht Regierungen.

 

#Globaler Süden #Schweiz im Sicherheitsrat #Völkerrecht

Espresso Diplomatique

Kurz und Kräftig. Die wöchentliche Dosis Aussenpolitik von foraus, der SGA und Caritas. Heute stehen die Bestrebungen diverser afrikanischer Staaten im Bereich der nuklearen Kernenergie im Fokus. Trotz der potenziellen Unterstützung durch China und Russland bleiben aufgrund der mit diesen Projekten verbundenen Risiken Zweifel bestehen. Nr. 475 | 08.04.2025

Eine Aussenpolitik für die 
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Neue Beiträge von Joëlle Kuntz (La neutralité, le monument aux Suisses jamais morts) und Markus Mugglin (Schweiz – Europäische Union: Eine Chronologie der Verhandlungen) sowie von Martin Dahinden und Peter Hug (Sicherheitspolitik der Schweiz neu denken - aber wie?) Livre (F), Book (E), Buch (D)    

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