Kolumne

Der UNO-Zukunftspakt

Der Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen vom September dieses Jahres gab vielleicht keinen Anlass zum Feiern, aber das Ereignis ist gleichwohl von Bedeutung. In einer sehr kritischen, angespannten Zeit ist es der Staatengemeinschaft gelungen, ein Abschlussdokument gemeinsam zu verabschieden. Der «Zukunftspakt» (Pact for the Future) hält an wichtigen Zielsetzungen und Grundsätzen der weltweiten Zusammenarbeit fest.

Um den UNO- Zukunftsgipfel vom 22./23. September 2024 ist es schnell wieder ruhig geworden, nachdem die Tagesaktualität sowie andere Konferenzen (Biodiversität, Klima) die Aufmerksamkeit zu Recht auf sich lenkten. In Ergänzung zum Editorial des Präsidenten der SGA vor dem Zukunftsgipfel lohnt sich nun ein Blick auf das Abschlussdokument, den «Zukunftspakt», der in Form einer Resolution der Generalversammlung von allen UNO-Mitgliedsstaaten verabschiedet worden ist.
Der Pakt ist in 5 Kapitel unterteilt: Erstens nachhaltige Entwicklung, zweitens Frieden und Sicherheit, drittens Wissenschaft und Technologie, viertens Jugend und fünftens globale Gouvernanz. Die Kapitel enthalten insgesamt 56 «Aktionen». In einem Annex ist ein global digital compact festgehalten.

Umfeld des Gipfels

Die globale Lage ist nicht förderlich für die Diskussion einer positiven Vision der menschlichen Zukunft. Kriege, geopolitische und sozioökonomische Spannungen, Klimawandel und die starke Erosion einer geteilten Wertebasis machen auch den Vereinten Nationen zu schaffen und werfen Fragen über ihre Leistungsfähigkeit auf. Dies spricht aus meiner Sicht aber gerade für den fortgesetzten Versuch, die genannten Probleme anzusprechen und Orientierung für deren Lösung zu vereinbaren. Die Schweiz hat dazu im Vorfeld und am Gipfel beigetragen, die Bundespräsidentin hat daran teilgenommen.

Ein Blick auf das Abschlussdokument

Mir sind folgende Dinge besonders aufgefallen: Das Abschlussdokument enthält im Bereich Frieden und Sicherheit – dem Kernmandat der Vereinten Nationen – Überlegungen zur Reform der Vereinten Nationen (vor allem des Sicherheitsrates), ihrer Finanzierung, der Überprüfung der Wirksamkeit von Friedensmissionen sowie der Peacebuilding Commission. Dazu treten Vorschläge zur Stärkung der Teilhabe Afrikas in Gremien und Organisationen der UNO und die Idee, möglichst bald und erstmals eine UN-Generalsekretärin zu wählen. Für wichtig halte ich im Abschnitt transforming global governance den Aufruf, die Auswirkungen von Krisen auf die Ärmsten und Verwundbarsten noch besser im Blick zu haben. Da gehört auch die Covid Pandemie dazu.

Im Abschnitt zu internationalem Frieden und Sicherheit werden die Grundsätze aus der Charta der Vereinten Nationen, der Deklaration der Menschenrechte und dem Internationalen Humanitären Recht bestätigt. Das ist im gegenwärtigen Umfeld nicht trivial, auch wenn die Zustimmung gewisser Akteure zynisch erscheint und den echten Konsens belastet. Wir haben aber aus meiner Sicht keine andere Wahl, als an diesen Grundsätzen festzuhalten. Die sogenannte Aktionslinie 13 des Abschlussdokuments stellt den Zusammenhang zwischen Frieden und Sicherheit, der Achtung der Menschenrechte und der Entwicklung ins Zentrum. Das bedeutet, dass Sicherheit nach wie vor nicht eng als militärisches Thema verstanden werden soll. Verletzung der Menschenrechte und Vernachlässigung der Entwicklung sind Ursachen für Konflikte und Kriege.

Und wie steht es um die Entwicklung und die 17 globalen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals – SDG) der Vereinten Nationen? Hier bringt das Abschlussdokument leider und erwartungsgemäss nicht nur gute Nachrichten. Der Fortschritt bei den SDG ist zu gering und teilweise ist es auch zu Rückschritten gekommen. So läuft es beispielsweise nicht gut im Falle der sozialen Sicherheit (einschliesslich Gesundheitsversorgung und Altersvorsorge). Die SDG als solche werden im Dokument bekräftigt. 2027 soll aber eine erneute Überprüfung ihres Umsetzungsstandes stattfinden, zusammen mit einer Diskussion über die verbleibende Zeit für die Zielerreichung, nämlich 2030. Dazu gehören auch Überlegungen darüber, wie es nach 2030 weitergehen soll.

Was bedeutet dies für die Schweiz?

Die Schweiz hat sich mit der Zustimmung zum Zukunftspakt in der UNO-Generalversammlung verpflichtet, zu den dort festgeschriebenen «Aktionen» beizutragen. Diese stehen grundsätzlich auch im Einklang mit ihrer Aussenpolitischen Strategie 2024-2027. Insbesondere bleibt die Schweiz in drei Bereichen gefordert:
Reform. Die Schweiz ist engagiert in der Frage der Reform der Vereinten Nationen und des Sicherheitsrates. Dabei sollte die bessere Erfüllung des Kernmandats (Frieden und Sicherheit) das wichtigste Kriterium für sämtliche Reformschritte, klein oder gross, sein. Wir haben keine andere globale, multilaterale Plattform und Agentur in dieser zentralen Frage.
Sicherheit. Es tut in der politischen Debatte der Schweiz not, den Zusammenhang zwischen Sicherheit, Menschenrechte und Entwicklung im Sinne des Abschlussdokuments, aber auch im Lichte unserer eigenen Erfahrung, stärker zu berücksichtigen und ein nur militärisches Sicherheitskonzept und fragmentiertes Sicherheitshandeln zu vermeiden. Das würde unseren Schweizerischen Qualitätsansprüchen nicht genügen.
Entwicklung. 2027 wird in New York eine wichtige Bilanz zu den 17 globalen Entwicklungszielen gezogen und vorausgeschaut: Wie geht es weiter nach 2030? Und bereits im kommenden Jahr 2025 wird in Sevilla erneut die Finanzierung der nachhaltigen Entwicklung behandelt. Die Schweiz muss sich in diesen Fragen engagieren. Wie kann die Agenda 2030 bestmöglich umgesetzt und finanziert werden? Wie soll die künftige globale Entwicklungsagenda aussehen? Wo kann die Schweiz am besten – fokussiert – beitragen? Die Arbeit muss jetzt unter der Führung des Bundes und mit Beteiligung aller Akteure beginnen und im Inland gut kommuniziert werden.

 

 

 

 

#Multilateralismus #Nachhaltige Entwicklung #Schweizer Aussenpolitik #Sicherheit

Der Autor

Adrian Maître ist pensionierter Mitarbeiter des EDA. Zuletzt war er stellvertretender Leiter der Ostzusammenarbeit (DEZA) und Botschafter in Albanien.

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