Kolumne

Den Pelz waschen, ohne ihn nass zu machen

Unlautere und unrechtmässige Finanzflüsse sind weltweit ein sehr grosses Problem. Besonders betroffen davon sind Entwicklungsländer. Der Bundesrat anerkennt das. Was er dagegen tun will, bleibt aber unklar.

Im Jahre 2013 sind gemäss dem US-amerikanischen Think Tank «Global Financial Integrity –GFI» 1090 Milliarden Dollar aus Schwellen- und Entwicklungsländern abgeflossen, die mit illegalen und unlauteren Aktivitäten wie Geldwäscherei, Korruption oder Steuerhinterziehung verbunden sind. Zwischen 2004 und 2013 sind zusammengezählt sogar 7850 Milliarden Dollar abgezogen worden. Die Zahlen sind seriös, sie werden sogar von UNO, Weltbank, IWF, OECD und anderen internationalen Organisationen anerkannt.

Solche unrechtmässigen und unlauteren Finanzflüsse beeinträchtigen die Entwicklungschance der Entwicklungsländer. Armutsziele, und die Ziele der Agenda 2030 sind nicht erfüllbar, wenn diese Kapitalflüsse nicht drastisch reduziert werden.

Die weltweite Diskussion schlug sich auch in der Schweiz nieder. Der damalige Nationalrat Hans-Jürg Fehr stellte dem Bundesrat bereits 2012 per Interpellation zahlreiche Fragen. Der Bundesrat beschied, die Schweiz hätte ein zentrales Interesse, den Zufluss solcher Gelder in unser Land konsequent zu unterbinden.

Ein Jahr später verlangten die Nationalrätinnen Jacqueline Fehr und Maja Ingold vom Bundesrat einen umfassenden Bericht über Schwarzgeldflüsse aus Entwicklungsländern. Der Bundesrat erklärte sich bereit, einen solchen Bericht auszuarbeiten. SVP- und FDP-Vertreter wandten sich dagegen. Während die Diskussion des Postulates Jacqueline Fehr verschoben und schliesslich diskussionslos abgeschrieben wurde, nahm der Nationalrat jenes von Ingold im September 2015 knapp mit 84 zu 81 Stimmen an. Wenig später auch ein ähnliches Postulat von Ständerätin Maury Pasquier.

Am 12. Oktober 2016 hat der Bundesrat den entsprechenden Bericht veröffentlicht. Das Ausmass der «illicit financial flows» (IFF) sei bedeutend und stelle ein Hindernis für die nachhaltige Entwicklung in den betroffenen Staaten dar. Er sei sich der damit verbundenen Herausforderungen bewusst und sei weiterhin gewillt, Lösungen auf internationaler Ebene aktiv mitzugestalten.

Es ist zu anerkennen: Der Bericht bietet eine umfassende Gesamtschau über die internationalen Bemühungen zur Eindämmung und Unterbindung von Steuerflucht, Korruption, Geldwäscherei und dergleichen. Er schlägt sich mit Definitionen, Messmethoden und Schätzungen herum, erklärt Faktoren, die zum Entstehen und zum Abfluss von IFF führen und lässt auch die einladenden Faktoren in den Zielländern nicht ausser Acht. Er zeigt auch detailliert auf, wie die Schweiz bei Steuervermeidung, Korruptionsbekämpfung und Geldwäscherei international mitarbeitet.

Viele offene Fragen
Alles gut also? Nein, denn bei der Lektüre dieses Berichtes bleibt ein ambivalentes Gefühl zurück. Er liefert nämlich praktisch keine Erkenntnisse zur spezifischen Rolle der Schweiz bei diesen unlauteren Finanzflüssen.

Die Postulate verlangten jedoch, aufzuzeigen, «inwiefern der Finanzplatz Schweiz und die Schweiz als Sitzstaat weltweit tätiger Handelsfirmen in die Problematik unlauterer und unrechtmässiger Finanzflüsse involviert ist…». Diese Fragen werden nicht beantwortet.

Dem Bericht ist anzumerken, dass er eine intensive Ämterkonsultation hinter sich hat. Ecken und Kanten sind abgeschliffen, wohlformulierte allgemein gehaltene Sätze sind zahlreich. Federführend war das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF), obschon das Thema IFF aus Entwicklungsländern einen überragend entwicklungspolitischen Gehalt hat.

Es fehlt eine substantielle Analyse der Qualität des Schweizer Abwehrdispositivs. Es mangelt an politischen Empfehlungen zur mittel- und längerfristigen Umsetzung einer weltweit verbindlichen Schweizer Weissgeldstrategie.

Man würde gerne lesen, wie der Bundesrat mit dem Risiko umgehen will, dass aus jenen Entwicklungsländern, die nicht in den Genuss des automatischen Informationsaustausches kommen, nicht noch mehr unversteuerte Gewinne in die Schweiz fliessen. Die FINMA schätzt dieses Risiko als gross ein, weil Banken aus der Schweiz vermehrt in diesen Ländern aktiv werden.

Man würde gerne lesen, wie viele Amtshilfeersuchen aus Entwicklungsländern in den letzten Jahren eingetroffen sind, wie viele wie beantwortet worden sind und welche Auswirkungen das zeitigt.

Man würde gerne erfahren, wie der Bundesrat gewisse Aktivitäten zweifelhafter internationaler Unternehmen mit Sitz in der Schweiz bekämpfen will, wie er sich zu international geäusserten Zweifeln an der Wirksamkeit des Schweizer Aufsichtsrechtes und der Sanktionsmöglichkeiten stellt.

Der Bundesrat lässt nichts darüber verlauten, wie gross die Gewinnverschiebungen von Konzernen aus Entwicklungsländern in die Schweiz sein könnten.

Mit der Agenda 2030 verpflichtete sich der Bundesrat zu einer «deutlichen Reduzierung der unlauteren Finanzflüssen». Hoch willkommen wäre ein klärendes bundesrätliches Wort über die Politikkohärenz zwischen nachhaltiger Entwicklung und der Schweizer Steuer- und Rohstoffpolitik.

Fragen über Fragen – aber keine konkreten Antworten. Die entwicklungspolitische Arbeitsgemeinschaft Alliance Sud fordert deshalb vom Bundesrat die Erstellung eines Zusatzberichtes zu den offenen Fragen.

Vorerst bleibt die Vermutung zurück, man wolle zwar international nicht mehr negativ auffallen, doch zu viel darf das nicht kosten. Mit anderen Worten: Der Bundesrat wäscht den Pelz, will ihn aber nicht nass machen.

Bruno Gurtner, pensionierter Ökonom, vormals bei Alliance Sud zuständig für internationale Finanzfragen, Mitgründer und langjähriger Präsident des Tax Justice Network

#Finanzen #Nachhaltige Entwicklung #Völkerrecht

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