Der Bilateralismus zwischen der Schweiz und der EU ist nicht der „Königsweg“ der schweizerischen Europapolitik, für den ihn viele halten. Er hat auch gewichtige Nachteile. Deshalb sollten Alternativen – etwa ein Beitritt zum EWR oder zur EU – ebenfalls ausführlich erörtert und breit diskutiert werden.
Seit vergangenem Dezember sind nicht weniger als vier Berichte und Studien zur schweizerischen Europapolitik publiziert worden. Sie stammen vom Bundesrat („Lagebeurteilung Beziehungen Schweiz-EU“), von der Arbeitsgruppe Fairer Bilateralismus („Ein neues Narrativ zum Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU“), von der aussenpolitischen Denkfabrik foraus („Für einen bilateralen Pakt Schweiz-EU“) sowie vom Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Uni Luzern und Partnerinstituten („Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und der EU: Quantitative Bewertung unterschiedlicher Szenarien der zukünftigen Zusammenarbeit“).
Fünf Schwachstellen
Alle diese Berichte und Studien favorisieren in der einen oder anderen Form den Bilateralismus zwischen der Schweiz und der EU. Diese Phalanx pro Bilateralismus ist fast schon beängstigend. Er scheint alternativlos zu sein. Doch ist der Bilateralismus mit der EU wirklich der „Königsweg“ der schweizerischen Europapolitik, für den ihn scheinbar alle halten? Zweifel sind angebracht. Denn dieser Weg hat nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile. Das geht gerne vergessen oder wird ausgeblendet. Deshalb hier die wichtigsten Schwachstellen des Bilateralismus:
Angesichts dieser Schwachstellen erstaunt es, dass Alternativen zum Bilateralismus –etwa ein Beitritt zum EWR oder zur EU – in diesen Berichten und Studien wenn überhaupt nur der Form halber und summarisch erörtert werden. Dabei haben diese Alternativen nicht nur Nachteile gegenüber dem Bilateralismus, sondern auch Vorteile. Die Alternativen verdienten es deshalb ebenfalls, vertieft analysiert und dargestellt und so einer breiten öffentlichen Diskussion zugänglich gemacht zu werden. Nur so ist eine umfassende Meinungsbildung zur schweizerischen Europapolitik möglich.
*****************************************************************
* Martin Gollmer ist ehemaliger EU-Korrespondent des Tages-Anzeigers in Brüssel und Buchautor. Aktuelle Publikation: „Plädoyer für die EU. Warum es sie braucht und die Schweiz ihr beitreten sollte“, NZZ Libro, Basel 2022.
Kurz und Kräftig. Die wöchentliche Dosis Aussenpolitik von foraus, der SGA und Caritas. Heute stehen die Herausforderungen im Weltall im Fokus. Staatliche und nicht-staatliche Interessengemeinschaften erhöhen ihre Aktivitäten im Weltraum stetig, womit nicht nur Sicherheitsrisiken im All, sondern auch auf der Erde steigen. Nr. 476 | 22.04.2025
Neue Beiträge von Joëlle Kuntz (La neutralité, le monument aux Suisses jamais morts) und Markus Mugglin (Schweiz – Europäische Union: Eine Chronologie der Verhandlungen) sowie von Martin Dahinden und Peter Hug (Sicherheitspolitik der Schweiz neu denken - aber wie?) Livre (F), Book (E), Buch (D)
Zu den BeiträgenDas Schweizer Mandat im UNO-Sicherheitsrat (2023 und 2024) fiel in turbulente Zeiten, der Rat hatte Schwierigkeiten, in den grossen Fragen Entscheide zu fällen. Jeden Samstag haben wir das Ratsgeschehen und die Haltung der Schweiz zusammengefasst.
Infoletter abonnieren