Themen der Woche: Gaza, Libanon, Afghanistan, Sudan, Syrien, Myanmar
Gaza und Israel: Der Rat hat sich in der Berichtswoche zweimal mit dem Krieg im Gazastreifen und der israelischen Landnahme in den besetzten Gebieten befasst, aber das bedeutendere Geschehen spielte sich in der Generalversammlung ab. Gestützt auf das Urteil des Internationalen Gerichtshofs hat sie mit Zweidrittelmehrheit eine Resolution verabschiedet, welche Israel zum sofortigen Siedlungsstop in den besetzten Gebieten, zum Rückzug seines Militärs, zur Rückgabe des seit 1967 an sich gebrachten Landes und zu Entschädigungszahlungen an die Palästinenser auffordert. Die Mitgliedsstaaten werden ersucht, die wirtschaftlichen Beziehungen zu israelischen Einrichtungen in den besetzten Gebieten zu unterbinden und Sanktionen gegen Siedler umzusetzen. 124 Staaten stimmten dafür, 14 (darunter die USA, Tschechien und Ungarn) dagegen, 43 (darunter die Schweiz) enthielten sich. Die Schweiz wird in der Resolution ersucht, eine Konferenz über die Durchsetzung der Genfer Konventionen in den besetzten Gebieten zu organisieren. Sie nahm den Auftrag an. Zudem soll im kommenden Jahr eine Friedenskonferenz zum palästinensisch-israelischen Konflikt stattfinden. Der Sicherheitsrat befasste sich mit der weiterhin ungenügenden humanitären Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Die zuständige UNO-Koordinatorin zeichnete erneut ein verheerendes Bild (“die Zeit läuft davon”). In einer weiteren Sitzung prangerte der UNO-Sondergesandte die intensivierte israelische Siedlungstätigkeit im Westjordanland an: “Israelische Politik und Praktiken verändern das Land in den besetzten Gebieten systematisch”. Von Juni bis September seien 6370 israelische Wohneinheiten bewilligt und 373 palästinensische Gebäude zerstört worden.
Libanon: In dringlicher Sitzung hat der Rat sich mit den anonymen Bombenangriffen mittels explodierenden elektronischen Geräten im Libanon befasst. Durch explodierende pagers und walkie talkies wurden nach Angaben der libanesischen Regierung 37 Personen getötet und über 3400 verletzt. Der UNO-Menschenrechtskommissar nannte den Vorfall «eine neue Entwicklung in der Kriegführung, indem Kommunikationsmittel zu Waffen werden». Es wies darauf hin, dass die Angreifer nicht wissen konnten, wer die manipulierten Geräte benutzte. Die wahllose Inkaufnahme von zivilen Opfern sei eine Verletzung des Kriegsrechts. Die Angriffe werden Israel zugeschrieben, das dazu nichts sagt. Die Schweiz wünschte, la lumière doit être faite sur les circonstances et les responsabilités. Klarere Worte zur Aufklärung der Tat fand Malta, das eine «unabhängige und transparente Untersuchung» der Manipulation der Geräte verlangte. Diese werden vornehmlich von der Hisbullah-Miliz benutzt, die im Libanon einen Staat im Staat errichtet hat und vom Süden des Landes aus einen Quasi-Krieg gegen Israel führt. Dessen Vertreter sagte, seit Beginn des Kriegs in Gaza werde die Zivilbevölkerung im Norden seines Landes mit hunderten von Raketen beschossen, ebenfalls wahllose, und Israel werde «alle Mittel» anwenden, um Hisbullah zu bekämpfen.
Afghanistan: Die Chefin der UNO-Mission UNAMA (United Nations Assistance Mission in Afghanistan) warnte davor, das mit Sanktionen (Reiseverbote, Banksperren) belegte Taliban-Regime von der internationalen Gemeinschaft abzunabeln. Sie erklärte, dass einige Leistungen der Taliban, so die Befriedung des Landes, unterschätzt würden. Sie verwies auf die angelaufenen direkten Kontakte zwischen dem Regime und den «Sondergesandten» von rund 30 Staaten, die im vergangenen Juli auf Einladung der UNO erstmals direkt zusammentrafen. In der Aussprache unterstützten die Ratsmitglieder den Ansatz, allerdings mit Nuancen. China verlangte Ausnahmen von den Sanktionen, um dem Regime das Leben zu erleichtern. Die westlichen Ratsmitglieder forderten Einhaltung der Menschenrechte und ein Ende der Frauendiskriminierung. Neue Sittengesetze verbieten afghanischen Frauen, in der Öffentlichkeit laut zu reden, alleine Bus zu fahren oder fremde Männer anzuschauen. Die Schweiz erklärte, die Wiedereingliederung Afghanistans in die internationale Gemeinschaft hänge von “greifbaren” Taten ab. Dazu gehöre la levée immédiate de toutes les restrictions contraires aux obligations internationales affectant les droits des femmes et des filles et leurs libertés fondamentales, y compris la mise en conformité ou l’abrogation des nouvelles lois dites « de moralité ». Die Schweiz gehörte zu 11 Ratsmitgliedern, die sich der Durchsetzung der Resolution “Frauen, Frieden, Sicherheit” verpflichtet haben und mit einer entsprechenden Erklärung vor das UN-Mikrophon traten. Die Schweiz wird diesen Herbst als einer der ersten westlichen Geldgeber wieder mit einer Vertretung der Entwicklungsabteilung DEZA präsent sein (siehe dazu «Die Schweiz und die Frauen in Afghanistan»)
Sudan: Die zuständige UNO-Beamtin teilte dem Rat mit, der Kampf um die belagerte Provinzhauptstadt El Fasher (Nord-Darfur) habe sich weiter verschärft, und es drohe “Massengewalt” gegen die Zivilbevölkerung. Der Vertreter des UNO-Nothilfebüros berichtete über eine Hungersnot im Flüchtlingslager Zamzam (500 000 Personen). Er zitierte “Médecins sans Frontières”, wonach dort alle zwei Stunden ein Kind verhungere. El Fasher sei nicht alleine. 10 Millionen Personen sind auf der Flucht. Die humanitäre Versorgung stehe vor “fast unüberwindlichen Hindernissen”. Alle Mitgliedstaaten zeigten sich in unterschiedlichem Masse besorgt.
Syrien: In seinem monatlichen Bericht hat der UNO-Sondergesandte den Mangel an Fortschritt bei der Suche nach einem diplomatischen Ausweg aus dem Dauerkonflikt beklagt und der auf Teilfragen beschränkten «Flickendiplomatie» eine Absage erteilt. Notwendig sei die Überwindung der Blockade zur Schaffung eines Verfassungsrats (constitutional committee). Die Schweiz erklärte sich erneut bereit, Gastgeber der früher in Genf geführten Verhandlungen zu sein. Sie empfahl, mit der von ihr unterstützten Plattform CSSR (Civil Society Support Room) zusammenzuarbeiten.
Kurz und Kräftig. Die wöchentliche Dosis Aussenpolitik von foraus, der SGA und Caritas. Heute stehen die Bestrebungen diverser afrikanischer Staaten im Bereich der nuklearen Kernenergie im Fokus. Trotz der potenziellen Unterstützung durch China und Russland bleiben aufgrund der mit diesen Projekten verbundenen Risiken Zweifel bestehen. Nr. 475 | 08.04.2025
Neue Beiträge von Joëlle Kuntz (La neutralité, le monument aux Suisses jamais morts) und Markus Mugglin (Schweiz – Europäische Union: Eine Chronologie der Verhandlungen) sowie von Martin Dahinden und Peter Hug (Sicherheitspolitik der Schweiz neu denken - aber wie?) Livre (F), Book (E), Buch (D)
Zu den BeiträgenDas Schweizer Mandat im UNO-Sicherheitsrat (2023 und 2024) fiel in turbulente Zeiten, der Rat hatte Schwierigkeiten, in den grossen Fragen Entscheide zu fällen. Jeden Samstag haben wir das Ratsgeschehen und die Haltung der Schweiz zusammengefasst.
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