Wochenrückblick

Schweiz im Sicherheitsrat / KW-5 2024

Gaza: Der Richtspruch des Internationalen Gerichtshof (Gaza-Genozid droht real, Israel muss alles tun, um ihn zu unterlassen) und die von der israelischen Regierung stammenden Enthüllungen über die Beteiligung von 12 UNRWA-Mitarbeitern an den Terrorakten in Israel vom 7. Oktober waren Gegenstand einer neuerlichen Sitzung zum Gaza-Krieg, die von Algerien angefordert wurde. UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East)  ist die UNO-Hilfsagentur für Palästinaflüchtlinge. Über ein Dutzend Staaten haben angekündigt, der Organisation die Mittel zu streichen. Der Chef des UNO-Nothilfebüros erklärte, UNRWA sei für die Versorgung der abgeschnittenen Bevölkerung im Gazastreifen unabdingbar. Die humanitären Lieferungen seien “abstossend unzulänglich”, weil Israel “aus unklaren, nicht nachvollziehbaren und oft unerklärten Gründen” Lieferungen nicht passieren lasse. Es sei zu erwarten, dass Not, Hunger und Wassermangel “den Druck für Massenverschiebungen in die Nachbarländer verstärken. Das Untersuchungsorgan der UNO und die  vom Schweizer Philippe Lazzarini geleitete UNRWA haben die 12 inkriminierten Mitarbeiter entlassen und Untersuchungen eingeleitet. Die Mehrzahl der Ratsmitglieder unterstrich die Bedeutung von UNRWA für die Belagerten. Einige, zum Beispiel das neue Mitglied Slowenien, erklärten explizit, ihre Zahlungen an die Agentur nicht einzustellen. Die Schweiz, die zu denjenigen Ländern gehört, die ihre Beiträge überprüft, äusserte sich nicht zum Thema. Hingegen sprach sie sich, wie die anderen Ratsmitglieder dafür aus, dass Israel dem Urteil aus Den Haag nachkommt, was unter anderem eine ausreichende Versorgung der Zivilbevölkerung einschliesst. “Die Massnahmen des Gerichts sind die Parteien zwingend. Die Schweiz erwartet von Israel, dass es der Anordnung nachkommt und insbesondere die nötigen Massnahmen trifft, um jeden Akt von Genozid und jede Aufforderung dazu zu vermeiden”. Die Schweiz forderte einen “humanitären Waffenstillstand”. Die USA machten darauf aufmerksam, dass das Urteil des Internationalen Gerichtshofs keinen Waffenstillstand fordert – mithin der Krieg weitergeführt werden darf. Israel nannte den Vorwurf des Genozids in Gaza eine “obszöne Umkehrung der Realität”. Die “genozidäre terroristische Vereinigung” sein Hamas, und Israel das Opfer.

Internationaler Strafgerichtshof zu Darfur: Der Ankläger des  Internationalen Strafgerichtshofs (ICC, International Criminal Court, 124 Mitgliedsstaaten – nicht zu verwechseln mit dem Internationalen Gerichtshof) hat die seit 19 Jahren laufenden Ermittlungen wegen “Verbrechen gegen die Menschlichkeit” in Darfur intensiviert. Er hat beide Bürgerkriegsarmeen im Sudan im Verdacht. Er warnte vor weiterer Straflosigkeit, welche eine Ausweitung der Kämpfe nach sich ziehen werde. Im Sudan hat der im vergangenen April ausgebrochene blutige Konflikt zwischen zwei Teilen der Armee über 8 Millionen Menschen vertrieben. Mit Ausnahme Russlands (“Pseudo-Justiz”) und der afrikanischen Mitglieder stellten sich die Ratsmitglieder hinter den ICC. Die Schweiz forderte beide Seiten auf, mit dem Gericht zu kooperieren, wie es eine Resolution aus dem Jahr 2005 vorschreibt. Sie sprach den Opfern und Zeugen, die “ihr Leben riskieren, um die Fakten vor Ort zu dokumentieren”, ihre Anerkennung aus. Im Anschluss an die Sitzung traten die Schweiz und Japan – focal points (Anlaufstellen) zum ICC – mit einer gemeinsamen Erklärung vor das UNO-Pressemikrophon, in der sie dem Gericht ihre Unterstützung aussprechen. Eine Gruppe von 11 Ratsmitgliedern machte in einer gemeinsamen Erklärung auf die grassierende “Kriegstaktik” von Vergewaltigung und anderen Formen sexueller Gewalt im Krieg im Sudan aufmerksam. Sie forderten, Straflosigkeit nicht zu akzeptieren, Täter zur Verantwortung zu ziehen und sprachen dem ICC-Ankläger ihre Unterstützung aus.

Zypern: Der Rat hat das Mandat der UNO-Blauhelmtruppe in Zypern einstimmig um ein Jahr verlängert.

Somalia: Hinter geschlossenen Türen hat der Rat sich mit dem de-facto abgetrennten Nordteil von Somalia – “Somaliland” – und dessen Verhältnis zu Äthiopien befasst. Sie haben Anfang Jahr einen Handel mitgeteilt, bei dem Äthiopien Zugang zum Meer (Golf von Aden, Rotes Meer) und Somaliland die äthiopische Anerkennung der Unabhängigkeit erhält. Die Zusammenschlüsse der arabischen und islamischen Staaten sind not amused.

Schweizer Erklärungen:

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Espresso Diplomatique

Kurz und Kräftig. Die wöchentliche Dosis Aussenpolitik von foraus, der SGA und Caritas. In der Ausgabe Nr. 461, September 2024, steht Algeriens Beitritt zur Neuen Entwicklungsbank (NDB) der BRICS-Staaten im Fokus. Der Schritt stärkt nicht nur Algeriens wirtschaftliche Position als wichtiger Öl- und Gasexporteur, sondern hat auch geopolitische Bedeutung im internationalen Machtgefüge.

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Eine Aussenpolitik für die 
Schweiz im 21. Jahrhundert

Neue Beiträge von Joëlle Kuntz (La neutralité, le monument aux Suisses jamais morts) sowie von Martin Dahinden und Peter Hug (Sicherheitspolitik der Schweiz neu denken - aber wie?)

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Schweiz im Sicherheitsrat

Das Schweizer Mandat im UNO-Sicherheitsrat (2023 und 2024) fällt in turbulente Zeiten, der Rat hat Schwierigkeiten, in den grossen Fragen Entscheide zu fällen. Jeden Samstag fassen wir das Ratsgeschehen und die Haltung der Schweiz zusammen.

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