Kolumne

Der Populist als Staatsmann

In einem Interview in den TA-Medien (13./14.1. 2024) spielt Altbundesrat und Milliardär Blocher den Elder Statesman als  Beschützer der Heimat mit Herz für die Armen:  “Ich wäre …. sogar für eine 14. AHV-Rente.” Seine Aussagen zu EU und Migration, voll von Verdrehungen und eigentlichen Unwahrheiten zeigen aber, was er war und bleibt: ein polternder Populist.

Blochers Aussagen, dass er an sich mit dem Anliegen für eine 13. AHV-Rente einig gehe, was aber nicht finanzierbar sei, werden hier nicht diskutiert. Zahlen zeigen, dass eine Revision der AHV mit oder ohne 13. Rente auf mittlere Sicht ohnehin nötig sein wird.

Eine Einigung mit der EU, wie sie sich mit den kommenden Verhandlungen über die Bilateralen III allenfalls zu Stande kommt, sei ein:” unnötiger Kolonialvertrag, Sachprobleme mit der EU könnten mit einem einfachen Vertrag geregelt werden”. Das sind gleich drei Unwahrheiten hintereinander. Der Vertrag ist bitter nötig, um der Schweiz den Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu erhalten, was eine  Mehrheit von Schweizerinnen und Schweizer befürwortet. Die Schweiz als Kolonie der EU, also von Deutschland, Frankreich, Italien und anderen europäischen Staaten, die uns politisch und wirtschaftlich am nächsten stehen? Diese zweite Unwahrheit ist einfach lächerlich. Blocher will wohl ein Alpenmonaco, wo Reiche, aus aller Welt, und gewisse Banken und Finanzunternehmen profitieren, die grosse Mehrheit aber leiden würde.  Wirtschaftlich beispielsweise unter erhöhten Importpreisen und der Abschnürung unserer bi- und trinationalen Grenzregionen von ihrem europäischen Hinterland, politisch unter einer weiteren Entfremdung des europäischen Kernlandes Schweiz von Europa. Die dritte Unwahrheit, jene vom “einfachen Vertrag” ist von unglaublicher Frechheit, war es doch Blocher, der 1992  mit millionenschwerer Schmutzkampagne gegen den Beitritt der Schweiz zum EWR (Europäischen Wirtschaftsraum) die Volksabstimmung zum Kippen ins knappe ‘Nein brachte. Das wäre eine einfache Lösung für den Zugang zum Binnenmarkt gewesen. Seither sind zwar Notlösungen gefunden worden, was nun aber zu Ende ist. Für einen Vertrag braucht es zwei Seiten, die EU hat seit Jahren das Ende von Notlösungen signalisiert.

Blochers Beschimpfung der classe politique, welche die” lästigen Volksabstimmungen  und das Kantonsmehr beseitigen”  wolle, ist sein übliches Echo vom unreflektierten Biertisch; die Beantwortung sei gerne den Politikern überlassen.  Die EU brauche “Geld, Geld, Geld” behauptet Blocher weiter.  Geld, das Europa tatsächlich für die grossen Zukunftsprobleme aufwenden will: Klimawandel, Regulierung von Technologie, sicherheitspolitische Probleme mit einem  MAGA-Präsidenten Trump in den USA, illegale Immigration. Alles Probleme, welche auch die Schweiz betreffen und welche wir in enger Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern besser und kostengünstiger regeln werden als allein.

Arbeitskräfte finden wir auch ohne Personenfreizügigkeit” – eine weitere Blocher-Behauptung. : Das ist zumindest eine grobe Verdrehung. Gerade die Freizügigkeit im Binnenmarkt garantiert, dass die gesuchten, qualifizierten Fachkräfte, die wir dringend nötig brauchen, ohne administrative Probleme gefunden werden können.

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*Daniel Woker ist ehemaliger Schweizer Botschafter, Co-Gründer der Firma «Share-an-Ambassador/Geopolitik von Experten» und Vizepräsident der «Groupe de Réflexion» der Plattform-Schweiz-Europa.

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