Vor 22 Jahren verabschiedete der UNO-Sicherheitsrat die Resolution 1325 (2000) zum Thema «Frauen, Frieden, Sicherheit» (englisch Women, Peace, Security, kurz WPS) und bestätigte damit, dass der Miteinbezug von Frauen zur Schaffung und Erhaltung von Frieden unerlässlich ist. Seither wurden elf weitere Resolutionen beschlossen und bilden als Gesamtpaket das wichtigste globale politische Instrument zum Thema Frauen in der Sicherheitspolitik: nämlich die Anerkennung, dass Männer, Frauen, Knaben und Mädchen unterschiedliche Bedürfnisse und Betroffenheiten in einem Konflikt aufweisen und dass ein wirkungsvoller Einbezug von Frauen zentral ist für die Konfliktprävention. Die Schweiz, dieses Jahr seit 20 Jahren bei der UNO mit dabei, zählt zu den Verfechterinnen der WPS-Agenda und setzt sich aktiv für die Implementierung des Themas ein. Mit dem historischen Einsitz der Schweiz im UNO-Sicherheitsrat für die Jahre 2023 und 2024 stellt sich nun die Frage: Welche Rolle soll die Schweiz als nichtständiges Mitglied des höchsten multilateralen Gremiums der Sicherheitspolitik bei der Gestaltung der WPS-Agenda einnehmen?
Die Schweiz hat unter der ersten Priorität «Nachhaltigen Frieden fördern» folgendes Ziel definiert: «Gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Friedensprozessen und UNO-Friedensmissionen, welche die Probleme in betroffenen Ländern anpacken können.» Die Schweiz setzt somit auf einen von vier Pfeilern der WPS-Agenda, nämlich den Partizipationspfeiler. Dieser Pfeiler ist generell der meistbeachteste Träger der Agenda, da er durch das «Hinzufügen» von Frauen relativ einfach umzusetzen und messbar ist. Die gleichberechtige Teilhabe von Frauen an Friedensprozessen und in sicherheitspolitischen Institutionen ist durchaus wichtig. Nehmen wir jedoch das Beispiel der UNO-Blauhelmtruppen oder aber von nationalen Armeen, zeigt sich deutlich, dass Partizipation von Frauen unbedingt von zusätzlichen Massnahmen begleitet werden muss. Ein Bericht des International Peace Institutes (IPI) von diesem Jahr beleuchtet das Problem von sexuellem Missbrauch und Ausbeutung innerhalb der UNO-Blauhelmtruppen und zeigt auf, dass rund jede zehnte Person einer Friedensmission – grösstenteils Frauen – von sexuellem Missbrauch betroffen ist. Obwohl das Thema der sexuellen Gewalt ausgehend von UNO-Blauhelmtruppen spätestens seit 2005 mit der Null-Toleranz-Policy der Vereinten Nationen ein Thema ist, wird bis heute wenig bis gar nicht über sexuelle Gewalt innerhalb der Truppen gesprochen. Dies gilt für UNO-Blauhelmtruppen sowie aber auch für viele nationale Armeen, die sich mit der WPS-Agenda verpflichten, mehr Frauen in ihre Ränke zu integrieren. Diese Lücke kann – und soll – die Schweiz aktiv nutzen, um sich im UNO-Sicherheitsrat zu positionieren und während den zwei Jahren Einsitz die WPS-Agenda konstruktiv voranzutreiben. Einerseits soll die Schweiz als Fürsprecherin der Opfer von sexueller Gewalt innerhalb sicherheitspolitischer Institutionen das Thema vermehrt auf die Agenda des internationalen Parketts bringen. Andererseits soll die Schweiz aber auch vermehrt auf einen allgemeinen institutionellen Wandel innerhalb sicherheitspolitischer Institutionen pochen, welcher begleitend zum Partizipationspfeiler stattfinden muss. Eine Umsetzung und Integration des Themas innerhalb der Schweizer Armee würde hierbei zu einer erhöhten Glaubwürdigkeit auf internationaler Ebene führen. Mit dieser Priorität kann die Schweiz für die kommenden zwei Jahre nicht nur einen wirkungsvollen Beitrag für die WPS-Agenda leisten, sondern sich auch einen Namen für ein Thema machen, das systematisch unterschätzt wird.
* Darja Schildknecht forscht als Doktorandin an der Universität Basel im Bereich Gender und Sicherheit und ist Associated Researcher bei swisspeace.
Kurz und Kräftig. Die wöchentliche Dosis Aussenpolitik von foraus, der SGA und Caritas. In der Ausgabe Nr. 466, November 2024, steht die Migrationsvereinbarung der EU mit Tunesien im Fokus. Zahlreiche Flüchtlinge sind unmenschlichen Bedingungen und Abschiebungen in Wüstengebiete ausgesetzt, was zu Spannungen auf der geopolitischen Ebene führt. Espresso Nr. 466 | 19.11.2024
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