Lesetipp

Gold glänzt längst nicht immer

Der Schweiz befindet sich als weltweit führender Goldplatz in einer politisch höchst delikaten Position. Warum das so ist, zeigt der Korruptionsexperte Mark Pieth im Buch „Goldwäsche“ mit seinem schonungslosen Blick auf die Lieferkette vom Abbau über die Raffinerien in der Schweiz bis zum Konsumenten.

Was lange verschwiegen und vertuscht wurde, ist inzwischen ein bisschen offengelegt. Die Schweiz ist im Goldgeschäft global Weltspitze. Das bestätigen Berichte des Bundesrates und der Schweizerischen Nationalbank. Auch die Aussenhandelsstatistiken geben seit ein paar Jahren ein klein wenig preis, was sie über Jahrzehnte verschwiegen haben. Dazu kommen Berichte von Nicht-Regierungsorganisationen, die Licht in wenig erbauliche oder skandalöse Geschäftspraktiken von Schweizer Gold-Akteuren gebracht haben. Man weiss es jetzt, die Schweiz ist mit den vier Raffinerien Argor-Heraeus, Metalor, MKS PAMP und Valcambi eine Macht im globalen Goldgeschäft. Was noch fehlte, legt Mark Pieth mit „Goldwäsche, Die schmutzigen Geheimnisse des Goldhandels“ offen. Sein Buch bietet eine Gesamtsicht auf die vielfältigen Fragen, mit denen sich die Schweiz wegen ihrer exponierten Stellung im politisch höchst sensiblen Goldhandel konfrontiert sieht.

Warum Problemgold
Pieth blickt zurück auf mehrere Phasen, als die Schweiz ihre Goldpraktiken verschweigen wollte. Auf das lukrative Goldgeschäft mit dem Naziregime, das der Schweiz bis in die 1990er politische Unannehmlichkeiten bescherte, auf die Rolle des „Gehilfen des Apartheidregimes“. Er beschreibt die Dimensionen des Goldhandels vom Abbau über den Zwischenhandel bis zu den Raffinerien und steckt damit den Rahmen ab für den eigentlichen Kern seiner Analyse über das „Problemgold“ und die Lieferketten vom Abbau bis zu den Konsumenten.

Kenntnisreich, detailliert und präzis analysiert der Autor die vielfältigen Probleme. Er legt überzeugend dar, dass das Goldbusiness wie nur wenige andere Sektoren für fragwürdige, illegale und menschenverachtende Praktiken anfällig ist. Die Untertitel im Kapitel „Problemgold“ wie „Organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Schmuggel, von Drogen zu Gold, Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Menschenhandel, Sexuelle Ausbeutung, Enteignung, Vertreibung, Konfliktgold, Plünderung, Völkermord“ sprechen für sich.

Die Analyse dieser Konfliktfelder führt den Autor unter der Überschrift „Goldwäsche“ zur Folgerung, dass den Raffinerien eine besondere Verantwortung zukomme. Denn nach dem Verlassen der Raffinerien sei das Gold „gewaschen“. Die Herkunft müsse deshalb vorher lückenlos durch die Raffinerien abgeklärt werden. Sie müssten sicherstellen, dass zur Verarbeitung angeliefertes Gold nicht unter entsetzlichen menschlichen Kosten gewonnen wurde.

Selbstregulierender Wildwuchs
Ob sie dieser Aufgabe gerecht werden, klärt Pieth im Buch Schritt für Schritt ab. Er dekliniert die zahlreichen Ansätze unterschiedlichster Akteure durch: Die OECD Due Diligence Guidance, das OECD Supplement on Gold, den Dodd-Frank Act der USA, die EU-Verordnung, die chinesischen Sorgfaltsrichtlinien, verschiedene Initiativen privater Wirtschaftsverbände sowie Multi-Stakeholder-Initiativen. Es tut sich also viel in der Goldbranche. Das ist zum einen positiv, zum andern drängt sich der Verdacht eines wenig kohärenten Wildwuchses auf.

Pieth benennt zahlreiche Schwachpunkte. Die Berichterstattung über die konkrete Sorgfaltspraxis und die Beschaffungsregionen fehle fast völlig. (S. 167) Die Auditberichte der Zertifiziererunternehmen seien unklar und oberflächlich, folglich unzureichend. Bei den Kontrollen handle es sich um nicht mehr als „Selbstbeweihräucherung“, lautet das Urteil wenig schmeichelhaft (S. 156). Der Autor fordert deshalb eine ernsthafte Überarbeitung der Standards und schlägt in Anlehnung an die Debatte über Geldwäscherei und Korruption in fünf Schritten vor, was zu tun wäre: Es beginnt mit dem Einrichten eines nachhaltigen Managementsystems, führt zum Identifizieren und Evaluieren der Risiken in der Lieferkette, zur Strategie im Umgang mit den Risiken, einer strikten Kontrolle durch ein unabhängiges Audit bis zur präzisen Berichterstattung über die Sorgfalt in der Lieferkette.

Die Raffinerien seien besonders gefordert, aber nicht nur auf der Basis einer Selbstregulierung, auf die der Bundesrat setzt. Über eine Anpassung der geltenden Edelmetallverordnung könnte ein taugliches Management- und Compliance-System eingeführt werden. Auch eine nationale Aufsichtsinstanz für den Rohstoffbereich nach dem Vorbild der Finanzmarktaufsicht, erachtet Pieth als sinnvoll. Eine wichtige Rolle könnte und sollte schliesslich die Entwicklungszusammenarbeit spielen, um die Arbeitsverhältnisse in den Goldabbauländern zu verbessern.

Die Politik also sollte handeln. Diese Forderung ist zwar nicht neu. Doch die detailliert fundierte Studie von Mark Pieth macht es der Politik um einiges schwieriger, die mit der exponierten Position der Schweiz im globalen Goldgeschäft verbundenen Probleme weiter aussitzen zu wollen.

Mark Pieth, Goldwäsche, Die schmutzigen Geheimnisse des Goldhandels, Verlag Elster & Salis, Zürich 2019, 304 Seiten, Fr. 26.30

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