Die Schweiz ist ambitiös, wenn sie in der UNO oder in der OSZE von Menschenrechten spricht. In der Handels- oder Klimapolitik, der Steuer- oder Asylpolitik, der Gleichstellungs-, Gesundheits- oder Rohstoffpolitik fehlt oft ein klares Engagement. NGOs fordern mehr Kohärenz.
«Das Profil der Schweiz wird durch die Glaubwürdigkeit ihres Engagements bestimmt, die ihrerseits von der Kohärenz ihrer Politik abhängt. Die Schweiz achtet darauf, Menschenrechtsfragen bei der Planung und Umsetzung ihrer gesamten Aussenpolitik zu berücksichtigen.» Diese Zielsetzung vertritt das Eidgenössische Departement für aus- wärtige Angelegenheiten EDA in seiner ersten Menschenrechtsstrategie 2016–2019. Die alte Debatte über menschenrechtliche Kohärenz in der Aussenpolitik ist damit neu lanciert.
Die Arbeitsgruppe Aussenpolitik der schweizerischen NGO-Plattform Menschenrechte hat im Juni 2017 das Diskussionspapier: «Wo bleibt die Kohärenz? Menschenrechte und Schweizer Aussenpolitik» veröffentlicht. In einem Dutzend Fällen aus der Arbeit verschiedener Menschenrechtsorganisationen zeigt die Studie aktuelle menschenrechtliche Inkohärenzen auf. Einige Beispiele: Die Schweiz setzt sich international gegen die Straflosigkeit von Kriegsverbrechern ein, das EJPD und die Bundesanwaltschaft verfügen aber selber nur über ungenügend Mittel zu deren Verfolgung. Die Schweiz leistet gute Entwicklungszusammenarbeit, lässt aber die Geheimhaltungsmechanismen weitgehend unangetastet, welche die um ein Mehrfaches höheren unlauteren Finanzflüsse aus Entwicklungsländern unentdeckt lassen. SECO und DEZA finanzieren nationale Menschenrechtsinstitutionen in aller Welt, selber verfügt die Schweiz jedoch über keine solche Institution. Und der Vorschlag, den der Bundesrat soeben in die Vernehmlassung schickte, will ausgerechnet die Aussenpolitik von den Aufgaben der Institution ausnehmen.
Was ist eine menschenrechtlich kohärente Aussenpolitik?
Menschenrechtliche Kohärenz in der Aussenpolitik bedeutet, dass alle Politikbereiche und Verwaltungseinheiten ihre Mitverantwortung für die Achtung und Förderung der universellen Menschenrechte aktiv wahrnehmen. Die Studie der NGO-Plattform Menschenrechte zeigt auf der Grundlage der Bundesverfassung, der völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz, des Berichts des Bundesrates zur Menschenrechtsaussenpolitik 2011-2014 oder auch Studien der EU drei Dimensionen einer menschenrechtlich kohärenten Aussenpolitik auf:
Seit 25 Jahren verlangen parlamentarische Aufsichtsorgane, Fachpersonen innerhalb und ausserhalb der Bundesverwaltung sowie der Bundesrat in strategischen Dokumenten eine verbesserte Politikkohärenz. Im Zusammenhang mit der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 kommt einer kohärenten Politik ein zentraler Stellenwert zu. Dennoch herrscht Treten an Ort: Über die rhetorische Ebene hinaus sind kaum Verbesserungen auf institutioneller und politischer Ebene zu verzeichnen. Im Gegenteil: In verschiedenen Politikbereichen wächst gar die Kluft zwischen deklarierten Zielen und handfester Interessenpolitik.
Fünf Forderungen
Auf diesem Hintergrund stellt die NGO-Plattform Menschenrechte fünf Forderungen auf, um die menschenrechtliche Kohärenz in der Aussenpolitik der Schweiz zu verbessern.
Die Debatte läuft
Die NGO-Plattform Menschenrechte wird dafür sorgen, dass die Debatte über menschenrechtliche Kohärenz in der Aussenpolitik auch mit dem neuen EDA-Vorsteher oder der neuen EDA-Vorsteherin weitergeht. Denn konkrete Ergebnisse sind gefragt – für eine glaubwürdige Schweiz und all jene, die weltweit unter Menschenrechtsverletzungen leiden.
Matthias Hui, Mitarbeiter von humanrights.ch und Koordinator der Arbeitsgruppe Aussenpolitik der schweizerischen NGO-Plattform Menschenrechte
Thomas Braunschweig, Verantwortlicher Handelspolitik bei Public Eye und Mitglied der Arbeitsgruppe Aussenpolitik der schweizerischen NGO-Plattform Menschenrechte
Kurz und Kräftig. Die wöchentliche Dosis Aussenpolitik von foraus, der SGA und Caritas. In der Ausgabe Nr. 461, September 2024, steht Algeriens Beitritt zur Neuen Entwicklungsbank (NDB) der BRICS-Staaten im Fokus. Der Schritt stärkt nicht nur Algeriens wirtschaftliche Position als wichtiger Öl- und Gasexporteur, sondern hat auch geopolitische Bedeutung im internationalen Machtgefüge.
Zum ArtikelNeue Beiträge von Joëlle Kuntz (La neutralité, le monument aux Suisses jamais morts) sowie von Martin Dahinden und Peter Hug (Sicherheitspolitik der Schweiz neu denken - aber wie?)
Livre (F), Book (E), Buch (D)
Das Schweizer Mandat im UNO-Sicherheitsrat (2023 und 2024) fällt in turbulente Zeiten, der Rat hat Schwierigkeiten, in den grossen Fragen Entscheide zu fällen. Jeden Samstag fassen wir das Ratsgeschehen und die Haltung der Schweiz zusammen.
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